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Sonntag, 20. März 2016

Hyperemesis Gravidarum

Um Euch im Wochenbett mit Artikeln zu versorgen, schrieb meine Bloggerkollegin des Blogs https://keinsbestellt2bekommen.wordpress.com/ einen Artikel zum Thema Hyperemesis Gravidarum für mich. Ela war in ihrer Zwillingsschwangerschaft selbst betroffen von der Krankheit und ich bat sie mir einen Artikel zu dem Thema zu schreiben. Ela beschreibt auf ihrem Blog wie sie vom Partygirl zur alleinerziehenden Zwillingsmutter wurde, über das Stillen und Tragen von Zwillingen und aus ihrem Alltag. Vielen Dank liebe Ela für diesen Artikel zu einem sehr wichtigem Thema.

Stell dir vor, du bist schwanger, du hast es dir so sehr gewünscht, doch du kannst dich nicht freuen. Seit einigen Tagen geht es dir schlecht, du bist extrem empfindlich was Gerüche angeht, deine Lieblingsspeisen ekeln dich an, du musst dich übergeben. Eigentlich klingt das bis hier her ganz normal, oder?
Viele Frauen leiden in der Frühschwangerschaft an diesen Symptomen.
Doch du bist nicht wie viele Frauen, du übergibst dich ständig, der Geruch deines Partners und deines Kindes lassen dich erneut würgen und zur Toilette rennen. Bereits mehr als 10 mal hast du dich an diesem Vormittag übergeben, und es werden noch viele weitere male dazu kommen. Dein Arzt sagt, das ist völlig in Ordnung, vielleicht hast du sogar etwas Übergewicht und leidest unter Sprüchen wie: „ Es ist doch gut das du jetzt noch etwas abnimmst, in der Schwangerschaft kommt eh noch genug dazu“. Es schmerzt so sehr, keiner will dir helfen, niemand nimmt dich ernst. Essen und Trinken werden zu unüberwindbaren Hürden, Duschen und Zähneputzen werden zu Tag füllenden Programmen. Deine Umwelt verstärkt durch ihr bloßes vorhanden sein deine unbändige Übelkeit.
Du kotzt und kotzt und kotzt. Es nimmt kein Ende, keiner kann Helfen, du weißt nicht was los ist...

Das alles klingt furchtbar und schrecklich. Die Einleitung ist frei erfunden aber viele Frauen und auch ich würden so oder so in der Art über ihrer Schwangerschaft berichten. Sie litten erkannt, oder auch unerkannt an der sogenannten Frühgestose „Hyperemesis Gravidarum“ ( folgend der Einfachheit mit HG abgekürzt), etwa 1-2 % aller Schwangeren leiden an HG, evtl ist die Dunkelziffer auf Grund von HG-bedingten Abbrüchen sowie falscher Diagnostik höher. Ich schätze die Anzahl auf ca. 3-5% in unterschiedlichen Ausprägungen. Doch hier geht es nicht um meine Sicht der Dinge sondern um Fakten. Betroffene Frauen brauchen wirklich Hilfe und darum geht es hier.

1. Was ist Hyperemesis Gravidarum?

Das Krankheitsbild definiert sich durch den Namen Hyperemesis bedeutet übersteigertes, unverhältnismäßiges Erbrechen, Gravidarum steht für die Schwangerschaft. Kurzum übermäßiges, extremes Erbrechen in der Schwangerschaft. Dieser Zustand stellt immer eine massive Gefährdung für die Mutter und das ungeborene Kind dar und erfordert eine umfangreiche medizinische Betreuung.
Symptome:
      die Betroffene übergibt sich mindestens 5 mal und noch öfter am Tag.
      Andauernde, extreme Übelkeit
      Gewichtsverlust von mindestens 5% des Ausgangsgewichts
      Exsikkos ( Austrocknung)
      Kreislaufprobleme ( niedriger Blutdruck,  erhöhter Puls)
      Keton-Nachweiß im Urin
      Elektrolytentgleisung
      oraler Acetongeruch


2. Wer ist betroffen?

Auch wenn man noch nicht weiß warum HG auftritt so gibt es doch einige Personengruppen die häufiger und stärker betroffen als andere Frauen. Dazu zählen Erstgebärende ( wobei es häufig in den Folgeschwangerschaften noch schlimmer zu werden scheint), Mehrlings-Schwangere, Frauen die Mädchen erwarten ( viele mir bekannte haben allerdings Jungs, ich halte diese These ebenfalls für fragwürdig), auch starke Adipositas, Allergieneigung, Frauen mit Essstörungen sowie Stoffwechselstörungen erkranken häufiger an HG. Auch Trophoblastenerkrankungen ( Probleme an der äußeren Fruchthöhle ) gehören zu den Faktoren die eine HG begünstigen. Eine psychische Komponente wird ebenfalls diskutiert, doch an dieser Stelle möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen das HG KEINE PSYCHISCHE ERKRANKUNG IST! Dennoch ist auch die mentale Belastung enorm. Betroffene Frauen leiden unter sozialer Isolation, stellen sich selbst und die Schwangerschaft in Frage, oft entwickeln sie eine Depression, ins besondere bei schweren Verläufen.

3. Wie sieht die Behandlung aus? Wie kann ich selber erkrankten Schwangeren helfen?

Grundlegend ist eine kombinierte Therapie aus Infusionen und der Gabe von Antiemetika, selten auch Psychopharmaka, zumindest sinnvoll, in den meisten Fällen jedoch unumgänglich. Viele Ärzte tun sich schwer mit der Medikamentenverordnung in der Schwangerschaft, ein Verweis auf Embryotox ( auch in der Stillzeit Gold wert), ist hier sicher angebracht, dort können sich Ärzte und auch Frauen telefonisch nach ausführlicher Anamnese beraten lassen, es gibt einige Medikamente die unbedenklich verordnet werden können. Die Infusionen umfassen in der Regel eine Kombination aus NaCl, Glukose sowie verschiedener Vitamine, um den durch die Mangelernährung entstandenen Mangel auszugleichen. In schlimmsten Fällen kann eine künstliche Ernährung fällig werden. Das wäre die medizinische Seite, die meisten Ärzte sind zumindest soweit, das die Patientinnen einigermaßen durch die Hochphasen kommen können. Doch viel wichtiger ist die emotionale und zwischenmenschliche Komponente.


Für HG-Patientinnen ist es unglaublich wichtig, das ihr Leiden ernst genommen wird. Ihnen hilft es nicht mit guten Ratschlägen wie dem berühmten Keks im Bett ( ich habe schon gewürgt bevor ich wach wurde, keine Chance für den Keks), Ingwer, frischer Luft oder Globuli zu kommen, auch das berühmte: „ Du bist schwanger, nicht krank, stell dich nicht so an“ hilft nicht und ist außerdem falsch. HG-Erkrankte sind ernsthaft krank, vergesst das nicht. Auch Sprüche wie dieser hier helfen nicht : „ du musst dein Kind nur annehmen, dann geht es dir besser, es ist einfach nur psychisch.“
Helfen könnt ihr, in dem ihr zuhört, Hilfe für alltägliche Dinge anbietet usw. Mehr ist nicht nötig.

4. Welche Ursachen hat HG?

Es werden viele verschiedene Ursachen diskutiert, doch bislang gibt es keine einheitliche Komponente, die auf alle betroffene zutreffen, abgesehen von der Tatsache das diese Frauen schwanger sind.
Derzeit werden folgende Ursachen diskutiert, daher ist es für erkrankte sinnvoll diese Dinge untersuchen zu lassen:
      Die Hormone Leptin, Wachstumshormone, Prolaktin, HCG, Progesteron und Östrogen
      Schilddrüsenprobleme
      Nebeniereninsuffizienz
      Veränderungen im Gastrointestinaltrakt und im Immunsystem
      Leberenzyme
      Mangelernährung
      psychologische Faktoren

Wenn man sich die Ursachen ansieht, dann wird deutlich das es sehr wahrscheinlich ist, das es eine größere hormonelle Geschichte ist, vor allem die ersten 3 Punkte machen das sehr deutlich, doch wie schon beschrieben, nicht alles trifft auf alle zu.

Was ist sonst noch wichtig?

Unterstützung ist ein wichtiger Faktor, neben Hilfe von Familie und Freuden kann man sich der virtuellen FB-Gruppe für betroffene Frauen anschließen. Auch gehört dazu eine Homepage mit umfangreichen weiteren Informationen, Berichten von betroffenen, Tipps wie man zusätzliche Hilfen beantragen kann, Empfehlungen von Ärzten und Kliniken. Auch gibt es einiges an Informationen die man sich herunter laden und verbreiten kann, diese Informationen umfassen allgemeine Flyer, sowie spezielle Informationen für Fachkräfte wie Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen.
Noch immer werden zu viele Frauen nicht oder nur sehr widerwillige behandelt, man nimmt sie und ihr Leiden nicht ernst, schlimmer noch man stellt häufig die Einstellung zur Schwangerschaft in Frage, nicht selten endet eine HG-Schwangerschaft in einem Schwangerschaftsabbruch, viele betroffene haben Selbstmordgedanken oder wünschen sich ein Ende der Schwangerschaft, egal wie, viele Kinder werden vor dem Termin geholt, entweder durch Einleitung, häufiger jedoch auf Grund der schlechten körperlichen Situation, durch einen Kaiserschnitt.
Beziehungen zerbrechen, Familien zerstreiten sich, Freundschaften gehen verloren, alles nur weil die Last der HG zu schwer auf allen lastet.

Wenn ihr jemanden kennt, der an HG leiden könnte, macht ihn auf diese Krankheit aufmerksam, gebt Informationen weiter, und hört zu wenn es nötig ist. Ihr helft damit nicht nur einer Frau sondern vielen!



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