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Montag, 5. Oktober 2015

Ich, der (Anti) Helikopter-Vater

Wir gehen in die zweite Runde. Ihr habt Euch weitere Artikel aus Vätersicht gewünscht - hier ist er. Ein Gastartikel von meinem Mann, aus Vätersicht geschrieben.

Ich bin Björn, 32 und ein Helikopter-Vater. So könnte man es meinen. Und so werde ich sicherlich öffentlich als auch hinter der Hand genannt. Ja, ich gebe es zu. Ich bin ein Helikopter-Vater. Aber nur ein bisschen. Denn ich glaube von mir sagen zu können, dass ich eher die gesunde Form eines „klassischen“ Heli-Dads bin und nicht zu den extremen zähle. 

Wenn ich an eine schöne, behütete und vor allem kindgerechte Kindheit denke, dann denke ich vor allem an Freies Spiel, an nicht enden wollende Nachmittage mit Freunden, ungebremstes Herumalbern, und Herumtrollen in der Natur. Man könnte die Liste beliebig weiterführen. Was mir jedoch nicht einmal im Entferntesten in den Sinn käme, wäre mein Kind mit endlosen „Verpflichtungen“ zu quälen.  Montag Klavierstunden, Dienstag wahlweise Ballett oder Fußball, Mittwoch Geige und Donnerstag Frühenglisch.  Die Liste der Grausamkeiten könnte ebenfalls beliebig ergänzt werden. Nur Verpflichtungen und keine Freizeit mehr.

Okay, das war jetzt zugebenermaßen ein Exkurs in die Extreme des Helikopter-Kosmos. Aber fängt „Helikoptern“ nicht bereits schon im Kleinen an? Warum darf ein Kind zum Beispiel keinen kleinen, schleimigen Regenwurm obduzieren? Absolute Helikopter-Eltern, die Ihre Schützlinge womöglich noch in den hippen frühkindlichen Naturwissenschaftskurs stecken würden anstatt vor die Haustüre zu gehen, sehen darin höchstwahrscheinlich nur den Dreck, indem sich der Wurm suhlt. All die Krankheitserreger. Igitt. Pfui. 

Kriegsschau(Spiel)platz

Genau diese Eltern bekommen auch eine unfassbar hysterische Panikattacke, wenn Junior auf dem Spielplatz mal eine Schippe Sand in den Mund nimmt. Wie eklig. Diese Bakterien. Ach was, wahrscheinlich ist der Sand gar verseucht und unglaublich toxisch, genau wie der Rasen auf dem man niemals Barfuß gehen darf. Nach dem Sand anfassen doch aber bitte die Hände mit einem Feuchttuch abwischen und all die fiesen Keime beseitigen. Viel gefährlicher sind eigentlich nur noch diese gleichaltrigen, ebenfalls in die Windel machenden Individuen mit einer - Achtung Ironie -  angeborenen Persönlichkeitsstörung und/oder ADHS, die dein Kind malträtieren, unterdrücken, ihm das Schäufelchen und die Förmchen unter Gewaltanwendung abnehmen und so in seiner Entwicklung massiv schaden. 

Ich glaube ja, dass dahingehend was ganz anderes schädlich ist. Diese Extrem-Helikopter. Diese Kampfhelikopter auf dem „Kriegsschauplatz“ Spielplatz. Jene Eltern, die lieber auf übelste Art und Weise jenes Kind angehen, welches den Filius gerade von der Rutschleiter drängen will, anstatt darauf zu setzen, dass sein Zweijähriger es schon schaffen wird, das ebenfalls zweijährige, selbstverständlich "völlig verzogene Gör", in dessen Schranken zu weisen. Kinder müssen - trotz der unglaublichen Begabung in punkto Vorbild und Nachahmung -  Ihre eigenen Erfahrungen sammeln, diese durch mehrmaliges Erleben einordnen und sich zunutze machen. Fürs Leben lernen. Und das durch Erleben, nicht einzig durch Vorleben, Einschreiten und Konventionieren. 

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?!

Doch wo bin ich jetzt ein Helikopter-Vater? Ich will in punkto Kindheit und Erziehung einfach alles maximal perfekt gestalten. Ich kümmere mich. Vielleicht zu viel. Ich feuere ihn an. Beim Schaukeln zum Beispiel und beim Rutschen. Höher, weiter, schneller ist da die Devise. Das hört sich dann fast schon an wie bei einem Fußballspiel meiner Lieblingsmannschaft. Und ich rutsche mit. Ja, ich buddle auch im Sandkasten mit und gebe mich als Bauleiter. Verrückt und für Außenstehende sicherlich manchmal etwas verstörend. Wenn das nur alles wäre. Ich trage meinen Sohn auf dem Arm, wenn er das will, obwohl er längst laufen kann. Ich trage meinen Sohn in der Trage, wenn die Mutter mich denn auch mal lässt. Ich verwöhne ihn. Ich verhätschle ihn. Sogar nach Strich und Faden. Ich habe - eigentlich ständig - Angst davor, dass ihm etwas passieren könnte oder dass ihm irgendwas fehlt. Mein ständiges Fragen, ob es ihm gut geht, ignoriert er bereits gekonnt. Das ist gefährlich. Also nicht das Ignorieren. Eher meine Art. Für mich, mit meiner eigenen  überzogenen Erwartungshaltung an mich selbst und für meinen Sohn. Denn Junior ist „erst“ zwei und doch ertappe ich mich des Öfteren dabei, wie ich merke, dass er klar signalisiert seine Ruhe haben zu wollen. Noch macht er nur die ein oder andere Zimmertüre zu mit den Worten „Weeeg Papa, Tür zu, alleine pielen (spielen)“. Doch bald schon werden die Zeichen vehementer sein. 

Was mache ich dann? Verfahre ich klar nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Soll ich Junior dauernd zum Schwimmen schleppen? Mit ihm ein Lernspiel spielen? Irgendwas unternehmen um seine Entwicklung zu fördern? Ich meine, besser einmal mehr als zu wenig fördern, oder? Oder sollte ich ihn gerade einfach seine Welt alleine erforschen lassen und ein bisschen mehr wie seine Mutter handeln. Vielleicht liegt er ja gerade einfach nur auf dem Boden, schaut an die Decke und macht sich Gedanken über sich selbst und seine Umwelt im Kontext. 

Freiräume gehören zur Kindheit

Ja, ich sollte ihn einfach machen lassen, ihn ein Stück weit sich selbst überlassen und den Freiraum zur freien Entfaltung geben. Ich glaube einfach, dass es mit Kindern ein Stück weit so ist, wie mit jungen Pflanzen. Wenn man eine junge grüne Pflanze, die voller Kraft ist und das Leben noch vor sich hat, überdüngt, dann wird sie sich niemals vollkommen entfalten und strahlend blühen. Bis er groß ist versuche ich einfach weiterhin ein gesundes Mittelmaß einzuhalten – zwischen Fördern und Fordern, zwischen Freiraum und Erziehung. Und ich werde versuchen zu unterscheiden. Die wichtigen Dinge, von den unwichtigen. Die bildungsspezifischen von den körperlichen und seelischen.  „Die Eltern sind heute wahnsinnig stolz, wenn ihr Kind mit fünf Jahren rechnen und schreiben kann, und fragen sich nicht, was denn eigentlich mit dem Rest ist, dem Körperlichen und Seelischen“, vertritt Gabriele Pohl , Spieltherapeutin und Autorin von „Kindheit - aufs Spiel gesetzt“, eine klare Meinung.

Da steckt viel Wahres drin. Wenn Junior dann mal „groß“ ist und zur Schule geht ziehe ich vorsichtig ein erstes Zwischenfazit. Falls da irgendwas nicht klappen sollte, habe ich immer noch eine Extrem-Helikopter-Eltern-Waffe in der Hinterhand. Dann schreibe ich Filius’ Klassenlehrer eine böse Email – mit dem Schulleiter in CC. So viel „Sicherheit“ brauche ich dann doch.


1 Kommentar :

  1. Schöner Artikel - und wichtiges Thema! Ist nicht einfach, die Balance zu finden. Aber ich denke, Kinder brauchen unbedingt Freiräume, um sich zu lanweilen, kreativ zu sein, mit Freunden Werte und Regeln zu lernen und sich zu erproben (meine Zwillinge sind schon ein wenig größer :-)

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